Recht auf Hafenmuseum! – Acht Forderungen

 3. Recht auf nationalkritisches Hafenmuseum

-Der Name sollte Programm sein 

Der Name Deutsches Hafenmuseum schließt die Geschichte(n) von nicht-deutschen Menschen und Häfen aus, und fokussiert die Perspektive von Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Um den Forderungen nach Raum für ‚multiperspektivische Geschichte‘ und dem inhaltlichen Schwerpunkt ‚Kolonialismus und seinen Kontinuitäten bis ins Heute‘ gerecht zu werden, darf das Museum nicht bereits im Namen EINEN Blickwinkel festschreiben. 

Die Gründung des Deutschen Reichs 1871 liegt historisch kurz vor dem Zeitraum, in dem der Afrikanische Kontinent unter den europäischen Mächten aufgeteilt wurde. Dies geschah auf der 1884/85 vom ersten deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck organisierten Kongokonferenz. Das Denken in nationalen Zusammenhängen hat mit Machtinteressen zu tun. Die Geschichte von Nationen ist geprägt von Herrschaftssicherung und Expansionsbestrebungen. Ein Museum, dass die Folgen von Kolonialismus und Globalisierung, also globale Ungerechtigkeiten in Form von Rassismen, Ausbeutung und Gewalt thematisiert, sollte sensibel bezüglich dieser Machtinteressen sein. Was heißt es also, ein Nationalmuseum zu einem globalen Thema zu machen?

Wenn die Geschichte von deutschen Häfen erzählt werden soll und Häfen als Knotenpunkte verstanden werden, sind andere Häfen und Menschen mitzudenken. Die deutsche Verantwortung in Bezug auf globale Ungerechtigkeiten ist zu reflektieren. Die Perspektiven anderer Akteur*innen, beispielsweise Menschen aus ehemaligen Kolonien, gehören zu der Reflexion und Darstellung dazu. Sie sind sogar zentral.

Wir fordern einen Namen, der Raum bietet! Der Name darf nicht festschreiben, welche Geschichte erzählt wird. Er sollte einem sensiblen Umgang mit Geschichte gerecht werden und so offen sein, dass sich diverse Akteur*innen vertreten fühlen können. 

 4. Recht auf radikale Partizipation

-Zivilgesellschaftliche Akteur*innen aus postkolonialen Zusammenhängen als ausschlaggebende Partner*innen

Die Anerkennung, dass das Deutsche Hafenmuseum multiperspektivische Geschichte darstellen sollte und der inhaltliche Schwerpunkt auf dem Erinnern der kolonialen Vergangenheit sowie der Folgen bis ins Heute liegen sollte, bedeutet, Expert*innen für dieses Thema hinzuzuziehen. Es sollten nicht nur Expert*innen mit einem kritischen Blick sein, sondern es sollten als Expert*innen Menschen aus ehemaligen Kolonien, Menschen mit diasporischen Perspektiven und Nachfahren von vom Kolonialismus Betroffenen die Gestaltung des Museums übernehmen. Die Geschichte(n) sollte nicht konstruiert werden, sondern von diesen Menschen selbst erzählt werden.

Auch wenn ein postkolonialer Diskurs zunehmend in Kulturinstitutionen, auch in dem Museumsumfeld, angekommen ist, sind selten Akteur*innen aus postmigrantischen Kontexten und dem globalen Süden reell in die Ausgestaltung von Formaten und Inhalten mit einbezogen. Und radikale Partizipation sollte nicht auf der Ebene des Einbeziehens gedacht werden. Sie sollte anerkennen, dass eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit postkolonialen Inhalten nur durch das jahrzehntelange Engagement von marginalisierten Einzelpersonen und Initiativen von BIPoC (2) zustande kommt. Nur diese Menschen sind Expert*innen für ihre Geschichte(n) und die Entscheidung, inwiefern diese im Rahmen eines Museums erzählt werden können und wie sich dieser Rahmen ausgestalten sollte. Das Deutsche Hafenmuseum sollte also ein nicht-definierter Raum für Unerwartetes sein. Es muss sich öffnen für die Ausgestaltung durch Akteur*innen, deren Geschichte und Gegenwart hier verhandelt werden sollte und ihnen die Definition der zentralen Perspektive überlassen.

Auch mit dieser radikalen Partizipation sind alle Aushandlungen in diesem Museumsprojekt in einem hegemonialen Raum verortet, selbst wenn zivilgesellschaftliche Akteur*innen, insbesondere aus postkolonialen Kontexten, die zentrale Gestaltung einnehmen. Das gilt sowohl auf organisatorischer Ebene im Hintergrund, als auch auf Ebene der Ausstellung, also im Verhältnis der Besucher*innen zum Ausgestellten. Besucher*innen bringen verinnerlichte Machtstrukturen mit, die zwangsläufig einen hegemonialen Blick bedingen. Das Museum als Ort, in dem ungehörte Stimmen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen, zentral von diesen gestaltet, auf offene Besucher*innen treffen, kann einen Moment des Dialogs bieten. Dieser schafft Raum für Visionen der Zukunft, die die Möglichkeit haben, Kontinuitäten zu brechen und beispielsweise eine von Rassismen freie Zukunft zu denken.

Das Deutsche Hafenmuseum muss die Verantwortung übernehmen, die zivilgesellschaftlichen Initiativen anzusprechen und einen offenen Raum und Rahmen anbieten. Mit seinem Standort im Hamburger Hafen sollten Akteur*innen mit direktem Bezug eingeladen werden, den Inhalt und das Format des Museums professionell und angemessen vergütet zu gestalten. Initiativen, die in Hamburg den öffentlichen Diskurs zu postkolonialen Inhalten mitgestalten, sind beispielsweise der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial, die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, der Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde Deutschland, afrika-hamburg.de, ARCA Afrikanisches Bildungszentrum, perspektive stadterkundung, die Gruppe um den Black History Month Hamburg, die Plattform Decolonizing Hamburg und diverse Kleingruppen, die antirassistische Arbeit leisten.

Weitere Akteur*innen sind die Bewohner*innen aus dem benachbarten Stadtteil Veddel. Dieser ist historisch durch den Bedarf an Wohnraum für Hafenarbeiter*innen gewachsen und steht somit direkt mit dem Deutschen Hafenmuseum in Verbindung. Er weist eine dichte postmigrantische Bevölkerungsstruktur auf, die ebenfalls über Expertise für koloniale Kontinuitäten verfügt. Zahlreiche soziale Initiativen auf der Veddel wie die Poliklinik, New Hamburg, Veddel Aktiv oder die Moscheengemeinde gehören ebenfalls zu einem Beteiligungsprozess in der Gestaltung des Deutschen Hafenmuseums. Ebenso wie die Initiative Dessauer Ufer, welche für einen Gedenkort und ein Stadtteilzentrum im Lagerhaus G kämpft. Hier waren während des Nationalsozialismus Zwangsarbeiter*innen untergebracht. Neben den Stimmen von Hafenarbeiter*innen, unter anderem in Form von Gewerkschaften, ist auch die Hafengruppe Hamburg, die seit den 1980er Jahren politische Hafenrundfahrten anbietet und Bildungsarbeit im Hafen leistet, eine alternative Stimme im Hafen. 

Zudem sollten Museums- und Erinnerungsprojekte sowie Initiativen oder Gruppen aus dem globalen Süden, insbesondere aus den ehemaligen deutschen Kolonien, die sich mit der Aufarbeitung kolonialer Geschichte und Gegenwart auseinandersetzen, an dem Projekt beteiligt werden und Anteil an der zentralen Perspektive haben. Diese Zusammenstellung von Akteur*innen ist nicht abschließend.

Wir fordern, dass zivilgesellschaftliche Akteur*innen maßgeblich das Format und die Inhalte des Deutschen Hafenmuseums gestalten. Hierzu zählen insbesondere die postkolonialen Initiativen, die seit Jahrzehnten die Aufarbeitung kolonialer Geschichte leisten und um deren Anerkennung kämpfen!

5. Recht auf neue Form von Institution 

-Die Rolle der Institution verlernen und offen sein für das Neue

Museen sind Orte mit langer rassistischer Tradition. In ihnen wurde ‚das Fremde‘, ‚das Andere‘ ausgestellt und reproduziert. Sie sind und waren maßgeblich daran beteiligt, rassistische Denkmuster zu verstetigen. Dies muss sich ändern. Aber nicht nur der Inhalt des Museums muss sich ändern, vor allem die inneren Strukturen gehören neu gestaltet. Denn die Macher*innen der Museen, die Einfluss auf Ausgestaltung und Inhalte haben, sind meist weiße, privilegierte Menschen, die ein Museum für einen weißen Blick machen. Um Rassismen, also der strukturellen Benachteiligung von People of Color und Schwarzen Menschen, entgegen zu wirken, sollten BIPoC das Museum entwickeln, kuratieren und Entscheidungen treffen. 

Wenn der Hafen in einem Museum als globaler Knotenpunkt dargestellt wird und dies an einem Ort wie auf dem Kleinen Grasbrook in der Stadt Hamburg geschieht, die ihren Reichtum zu großen Teilen durch koloniale Ausbeutung erlangt hat, dann folgt aus einem verantwortungsbewussten Umgang folgendes: Das Museum als Institution muss seine durch Kolonialismus gewachsene und verstetigte hegemoniale Struktur transparent machen und ablegen. Denn wir als Weiße können nicht bestimmen, welche Perspektiven BIPoC dargestellt sehen möchten oder wie diese Darstellungen aussehen sollten. Wir müssen die Positionen räumen, in denen über diese Punkte entschieden wird und offen für völlig neue Formate sein. So kann die Institution Museum ihren exklusiv-repräsentativen Charakter überwinden und von marginalisierten Menschen in eine neue Form überführt werden. 

Wir fordern, dass alle steuernden Positionen im Deutschen Hafenmuseum von BIPoC besetzt werden und ihnen freie Hand in der Ausgestaltung gelassen wird. So kann die Institution Museum als Zukunftslabor funktionieren.

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 (2) “BIPoC” steht für “Black, Indigenous und People of Color”.